Aus dem Leben...

Mitten aus dem Leben

Mitten aus dem LebenFrage: Was bedeutet Christsein in der modernen Berufswelt?

 

Antwort: Wie man sich als Christ im modernen Berufsleben verhält, in dem es bisweilen nicht immer christlich zugeht, weil das Geschäftsleben gleichsam andere Spielregeln aufstellt, kann man aus reformatorischer Sicht unterschiedlich beleuchten.

 

Der Schweizer Reformator Johannes Calvin hat vom Gedanken der göttlichen Vorherbestimmung des Menschen her im 16. Jh. die These aufgestellt, dass sich das Wohlwollen Gottes gegenüber dem Menschen durchaus auch an dessen wirtschaftlichem Erfolg zeigt. Zugleich war es derselbe Johannes Calvin, der sich für eine sittlich strenge Lebensordnung von Christen in Genf eingesetzt hat. Sie sollten untadelig leben. Dass dabei zwischen persönlichem und beruflichem Leben Spannungen auftreten können, lässt sich leicht erahnen. Martin Luther hat andere Akzente gesetzt. Er unterschied zwischen einer Situation, wo der Christ vor Gott steht (coram deo) und wie er sich in der Welt zu verhalten hat (coram mundo). Luther unterschied deshalb diese Bereiche, weil er ein feines Gespür dafür hatte, dass beide nicht immer spannungsfrei nebeneinander existieren können. Es kommen im weltlichen Mitein- ander durchaus Mittel zum Einsatz, die aus christlicher Sicht bedenklich sind. Zwar hat auch Luther immer wieder in seinen beiden Katechismen praktische Rat- schläge gegeben, wie sich der Christ im Leben zu verhalten hat. Dennoch unterschied er zwischen dem Glauben des Einzelnen und seinen Anforderungen in Welt und Gesellschaft, und damit auch am Arbeitsplatz. Die Lösung Luthers mag sicher nicht befriedigen. Und doch zeigt sie eine feine Vermittlungslinie auf: Immer wieder neu auszuloten und auch dafür einzustehen, dass und wie christliche Moral auch in beruflichen Zusammenhängen Einfluss gewinnt. Das geht mal besser und mal schlechter. Tatsächlich werden wir wohl auch im Berufsleben mitunter schuldig. Aber eines ist noch wichtiger: Wir dürfen Gott um Vergebung bitten. Und das gibt Kraft, immer wieder neu auch die christliche Überzeugung ins Berufsleben einzutragen, dort wo es möglich ist. Und mit all der Ambivalenz, die manchmal damit einhergeht.

Christian Ferber